Rügen des Presserats

tl;dr Ich habe die Informationen über ausgesprochene Rügen des Presserats von den Webseiten gescraped und in eine SQLite-DB überführt.

Überblick

Der Deutsche Presserat ist laut Selbstbeschreibung die „Freiwillige Selbstkontrolle der Printmedien und deren Online-Auftritte in Deutschland“. Zu diesem Zweck wurde ein Pressekodex geschaffen, in dem die Richtlinien für journalistische Arbeit festgelegt sind.

Der Presserat veröffentlicht sämtliche seit 1986 ausgesprochenen Rügen, also angezeigte Verstöße, die als stichhaltig bewertet wurden und die auch durch die jeweils betroffene Redaktion in einer „der nächsten Ausgaben“ abgedruckt werden müssen auf seinen Webseiten und ergänzt diese Übersichten auch mit eigenen statistischen Auswertungen.

Allerdings musste ich feststellen, dass die Daten in keinerlei brauchbaren Formaten vorliegen und somit eigene Auswertungen unnötig erschwert oder gar unmöglich gemacht werden. Daher habe ich mich drangemacht und die Daten mit Skripten von den Webseiten gekratzt und in eine SQLite-Datenbank übertragen, die eigene Auswertungen und Analysen ermöglichen sollen. Die Datenbank stelle ich gerne zum Download und zur Nachnutzung zur Verfügung.

Datenqualität und -strukturen

Die Übersicht über die ausgesprochenen Rügen des Presserats hat eine furchtbare Struktur über die einzeln ausklappbaren Elemente. Ich habe mir daher ein paar Skripte gehackt, mit denen ich die Daten bis einschließlich 2020 extrahiert und versucht habe, automatisierte Formatierungsfehler oder andere strukturelle Probleme zu bereinigen. Grundsätzlich können aus jedem Eintrag die folgenden Informationen extrahiert werden:

Leider ist die Datenqualität extrem schlecht. Die Formatierung der Rügen und auch der betroffenen Publikationen sind sehr unterschiedlich; es kommt immer wieder vor, dass sich Formatierungen ändern (z.B. Formatierung der Aktenzeichen, Wechsel zwischen „- nicht öffentlich -“, „- nicht-öffentlich -“ und anderen Formen, regionale Ausgaben sind machmal in und manchmal ohne Klammern ergänzt, wilde Verwendung von „+“ und „&“, uneinheitliche Schreibung von Publikationen) oder gar deutliche Fehler gemacht wurden (schließende Klammern vergessen o.ä.), was das Parsen der Daten sehr mühsam macht. All diese Fehler habe ich manuell bereinigt; dabei kann ich natürlich nicht ausschließen, dass sich dennoch auch durch meine Nachbearbeitung Ungenauigkeiten eingeschlichen haben. Zudem habe ich zwei Rügen aus dem Jahr 1991 mit dem gleichen Aktenzeichen (B 47/91) identifiziert, was ich manuell nicht auflösen konnte. Überdies wurde kürzlich die Struktur teilweise wiederum überarbeitet und um Hinweise auf die Verstoße bezüglich der betroffenen Ziffern ergänzt. Diese Änderungen finden sich nicht in meinem Datensatz.

Die gescrapten Daten habe ich in ein relationales Datenbankmodell übertragen.

Datenbankmodell der SQLite-DB

Die Rügen befinden sich in der Tabelle „reprimands“ und weisen auf den Verstoß gegen ein oder mehrere Abschnitte des Pressekodex („code_violations“) hin. Publikationen („publications“) können natürlich über die Zeit mehrfach gerügt werden. Da jedoch stets zwischen verwandten Publikationen unterschieden wird (z.B. „BILD“ vs. „BILD ONLINE“), habe ich noch für relevante Publikationen sog. „publication_families“ erstellt, die versuchen, diese zusammengehörigen Produkte zusammenzufassen. Diese Information ist also durch mich ergänzt und nicht Teil des Datensatzes des Presserats.

Die so hinterlegten Daten können nun per SQL nach allen Dimensionen ausgewertet werden.

Beispielhafte Auswertungen

In der Folge einige Beispiele für mögliche Auswertungen, die auf den nun sauber strukturierten Daten möglich sind.

Anzahl Rügen über die Zeit

Rügen nach Ziffern im Pressekodex

In einer Rüge können Verstöße gegen mehrere Ziffern ausgesprochen werden.

Ziffern des Pressekodex

  1. Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde
  2. Sorgfalt (u.a. irreführende Darstellungen, verfälschende Zitate, etc.)
  3. Richtigstellung
  4. Grenzen der Recherche (u.a. bei schutzbedürftigen Personen)
  5. Berufsgeheimnis
  6. Trennung von Tätigkeiten
  7. Trennung von Werbung und Redaktion (u.a. Schleichwerbung)
  8. Schutz der Persönlichkeit (u.a. Opferschutz, Angehörige, Selbsttötungen, etc.)
  9. Schutz der Ehre
  10. Religion, Weltanschauung, Sitte (Verzicht auf Schmähung von Überzeugungen)
  11. Sensationsberichterstattung, Jugendschutz (u.a. Bericht über Gewalttaten oder erlittenes Leid von Betroffenen)
  12. Diskriminierungen
  13. Unschuldsvermutung (u.a. Vorverurteilungen)
  14. Medizin-Berichterstattung (u.a. Verzicht auf unangemessene Sensationsdarstellung)
  15. Vergünstigungen (u.a. Einflussnahme durch Geschenke auf Berichterstattung)
  16. Rügenveröffentlichung

Das Wirken der Bild-Zeitung

Die Bild-Zeitung steht im Ruf, sich regelmäßig wissentlich und willentlich über die Standards guten Journalismus hinwegzusetzen und beispielsweise Bilder von minderjährigen Opfern einer Gewalttat ohne Zustimmung der Angehörigen abzudrucken. Die Frage ist also: schlägt sich dieses Verhalten in den Statistiken nieder?

Anteil der gegen Bild (Bild, Bild am Sonntag, Bild Online) ausgesprochenen Rügen

Ja; Bild (Bild, Bild am Sonntag, Bild Online) hat über die Zeit mehr als 1/3 aller je ausgesprochenen Rügen erhalten.

Bei Bild werden zudem über die Jahre deutlich mehr Verstöße als bei anderen überregionalen Publikationen aus den Bereichen Politik oder Boulevard festgestellt.

Sehr deutlich ist dies auch bei der Betrachtung der einzelnen Abschnitte des Pressekodex, gegen die durch Bild häufig verstoßen wird.

Anteil der Rügen nach Ziffern der Bild-Zeitung (Bild, Bild am Sonntag, Bild Online)

Sehr deutlich sieht man, dass nahezu die Hälfte aller je ausgesprochenen Rügen betreffend Ziffer 8 (Schutz der Persönlichkeit) auf die Kappe von Bild geht. Bei den Ziffern 11 und 13 (Sensationsberichterstattung bzw. Unschuldsvermutung) sind es sogar jeweils mehr als die Hälfte aller insgesamt ausgesprochenen Rügen.

Diese Zahlen machen sehr deutlich, dass sich die Bild-Zeitung nicht um das Einhalten journalistischer Stands bemüht, sondern regelmäßig und systematisch gegen wichtige Kriterien verstößt.

Fazit

Meine simplen Analysen sollen nur zeigen, dass es leicht möglich ist, auf Basis von zugänglichen Daten in einem geeigneten Format, Erkenntnisse zu generieren. Ich vermute, dass in den Daten der Rügen des Presserats noch weitere spannende Informationen verborgen sind, die sich über eine Auswertung an das Tageslicht bringen ließe. Dies war der Grund für mich, die Daten in eine sinnvolle Struktur zu überführen und auch hier bereitzustellen.

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