Kanzleramtsminister Pofalla hat vollmundig verkündet, dass in den nächsten Wochen Verhandlungen mit den USA stattfinden werden, um ein „No-Spy-Abkommen“ abzuschließen. Dabei soll es sich um ein Abkommen handeln, das gegenseitige Spionage ausschließt. Die restlichen hohlen Phrasen, die er sonst noch von sich gegeben hat, kann man getrost ignorieren.
Jetzt drängt sich natürlich sofort die Frage auf: Warum ist so ein Abkommen nötig? Friedrich hat uns doch darüber informiert, dass in Deutschland keine Überwachung und auch keine Wirtschaftsspionage stattfinden. Hans-Peter Uhl hat die Enthüllungen Snowdens auf eine Ebene mit den Hitler-Tagebüchern gestellt und somit als unwahr dargestellt. Auch Merkel stellt klar, dass Deutschland kein Überwachungsstaat sei und will von einer flächendeckenden Überwachung durch die NSA nichts wissen. Die Öffentlichkeit bekommt also hier endlich die Bestätigung dessen, was auch die USA zu keinem Zeitpunkt abgestritten haben: Wir werden im großen Stil systematisch überwacht.
Doch was sollte uns so ein „No-Spy-Abkommen“ nützen? Geheimdienste neigen ja offensichtlich dazu, sich nicht an Abkommen und Gesetze zu halten. Der NSA-Direktor James Clapper hat im US-amerikanischen Senat in einer Anhörung mit seiner Aussage, es werden keine Daten über Amerikaner gesammelt, nachweislich gelogen. Wenn die führenden Köpfe der Geheimdienste selbst ihre eigenen Regierungen anlügen, wie sollen wir dann davon ausgehen, dass es Menschen wie Clapper tatsächlich kümmert, welche Lügen sie uns erzählen müssen? Und wie sollen wir das kontrollieren? In der Regel ist ja alles geheim.
Und wenn man an die Ausgestaltung eines „No-Spy-Abkommens“ denkt, dann steht sofort die nächste Frage im Raum: Welche Schlupflöcher werden dort eingebaut? Die USA werden garantiert nicht auf ihre Datensammlung in Bezug auf die Terrorbekämpfung verzichten wollen. Warum sollten sie dies gerade in Deutschland machen? Insbesondere in Hinblick darauf, dass einer der Terroristen vom 11. September, Mohammed Atta, vor den Anschlägen in Hamburg lebte. Also wird es vermutlich Ausnahmen in Bezug auf Terrorverdacht in dem Abkommen geben. Tja, und solche Ausnahmen lassen sich weit dehnen und beliebig auslegen. Auch hier ist also keine Einschränkung zu erwarten.
Sascha Lobo zeigt zudem ein sehr interessantes Muster in den Aussagen Pofallas auf: Fast Gebetsmühlenartig wiederholt dieser immer wieder, dass mit einem Abkommen die Spionagetätigkeiten der USA in Deutschland untersagt werden soll. Wohlgemerkt bezieht sich die Aussage nicht auf deutsche Bürger und deutsche Unternehmen. Die Spionagetätigkeit der NSA in Deutschland findet allerdings von amerikanischem Boden aus statt: die Militär- und Spionagebasen, die die USA in Deutschland errichtet haben (eine neue wird gerade bei Wiesbaden gebaut) sind rechtlich betrachtet (ebenso wie Botschaften und Konsulate) US-Territorum. Abhör- und Spionageaktivitäten dort wären also weiterhin zulässig.
Das Abkommen würde zudem natürlich die meisten bekannt gewordenen (und noch unbekannten) Aktivitäten in Bezug auf das Internet nicht einschränken, da diese ebenfalls nicht auf deutschem Boden stattfinden. Mit diesen Programmen werden soziale Netzwerke, E-Mail-Accounts oder Cloud-Speicher bei amerikanischen Unternehmen überwacht (PRISM) oder eine vollständige Untersuchung des Datenstroms von Transatlantikkabeln durchgeführt (TEMPORA, evtl. XKeyScore). Auch an dieser Stelle haben wir also keinerlei (zumindest rechtliche) Hürden von einem Abkommen zu erwarten.
Warum also diese Abkommen? Es drängt sich ein böser Verdacht auf: Bekommt die deutsche Bundesregierung an dieser Stelle möglicherweise Schützenhilfe von der US-Regierung für den kommenden Wahlkampf? Vielleicht aus Dankbarkeit für die jahrelange Kooperation und das Dichthalten, als die Überwachung öffentlich wurde? Während die Verhandlungen stattfinden (wie unsinnig es auch immer sein mögen), könnte Kanzlerin Merkel sich hinstellen und dies als Sieg gegen die Überwachung der NSA darstellen. Es würden (scheinbar) alle Vorgänge aufgeklärt und mit einem internationalen Vertrag offiziell beendet. Und in einer neuen Legislaturperiode könnte es weitergehen wie bisher.