Die großen Onlinemedien haben eine Anti-Adblock-Kampagne gestartet. Sie möchten ihre Leser darauf aufmerksam machen, dass sie sich über Werbung finanzieren und sie natürlich kein Geld erhalten, wenn ein Nutzer mit einem Adblocker ihre Webseiten ansurft. Für den Nutzer sei das Angebot ja kostenlos.
Was war die Konsequenz? Die auf- und eindringlichen Hinweise der Nachrichtenportale wurden sehr schnell in die Listen der zu sperrenden Inhalte der Adblocker aufgenommen und werden nun ebenfalls nicht mehr angezeigt. Adblock Plus, einer der verbreitetsten Adblocker, konnte durch diese Maßnahme der Medienhäuser sogar Nutzer hinzugewinnen.
Was zeigt uns das? Die Nutzer können Werbung nicht mehr sehen und ertragen. Viele Seiten sind damit überfrachtet, es gilt Layerbanner, die sich über die Inhalte schieben und Fenster, die sich im Vordergrund (Pop-Ups) oder Hintergrund (Pop-Unders) öffnen, webzuklicken, bevor man überhaupt den Inhalt konsumieren kann. Das Web ist voller Klickstrecken, also Bildergalerien, bei denen das jeweils nächste Bild nur über einen Klick erreichbar ist, damit ein Benutzer möglichst viele Seiten aufruft und möglichst viel interagiert – den dies generiert (theoretisch) Einkommen. Die Nutzung einer solchen Webseite ist für den Besucher dadurch eben nicht kostenlos, sondern er muss Zeit und Nerven investieren.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die breite Masse tatsächlich etwas gegen sehr dosierte und unaufdringliche Werbung einzuwenden hätte. (Wobei dann allerdings ihre Wirksamkeit möglicherwiese auch sehr eingeschränkt wäre.) Allerdings sind die Anbieter von Internetseiten in ihrer Gesamtheit einfach zu gierig geworden. Sie haben mehr und mehr Werbung platziert und diese immer auffälliger gestalten lassen. Teilweise blinken ganze Seitenränder in grellen Farben und Texte sind nach jedem Absatz durch eine Werbeeinblendung unterbrochen. Hinzu kommen natürlich noch die erwähnten Pop-Ups und Layer-Werbungen, die sogar explizit eine Interaktion erfordern.
Diese Entwicklung ist natürlich nicht einfach zurückzudrehen. Der Preis pro angezeigtem Banner ist marginal, selbst ein Klick ist nicht mehr allzuviel wert. Woher sollte denn auch die ganze Werbung kommen, wenn sie teuer wäre?
Die Seitenbetreiber haben selbst dazu beigetragen, den Preis zu drücken und jetzt müssen sie das Problem ausbaden. Die Nutzer werden einfach Adblocker verwenden und sich diese virtuelle Werbeveranstaltung nicht antun. Sollte das Portal nicht mehr finanziert werden können und seine Arbeit einstellen, dann ziehen die Nutzer eben mit ihren Adblockern weiter und lesen ihre Artikel wo anders.
Doch wie könnte eine Lösung aussehen? Ein Patentrezept ist noch nicht gefunden. Doch das Gejammer, Nutzer sollten ihre Adblocker ausschalten ist kindisch. Dennoch ist es geradezu typisch für das deutsche Verlagswesen (zu denen die größten an der Kampagne beteiligten Seiten gehören), das anscheinend stets rückgewandt agiert und sogar versucht, Innovationen aufzuhalten und zu behindern anstatt neue Ideen zu generieren und neue Märkte zu erschließen. Das sehen wir im Bereich der eBooks und wir sehen es bei der Finanzierung von Nachrichtenportalen.
Dabei sind Internetnutzer nachweislich bereit, für gute Inhalte Geld zu bezahlen. Obwohl Musik inzwischen DRM-frei und digital verkauft (und auch schwarzkopiert) wird (oder vielleicht gerade deshalb), gibt es (trotz einiger Einbußen, die vermutlich andere Gründe haben) enorme Verkaufszahlen. Einige deutschsprachige Podcaster können ganz oder teilweise von Einnahmen, die sie über den Microdonation-Dienst flattr generieren, leben (Beispiel Tim Pritlove). Dieser Dienst wurde übrigens von Peter Sunde, einem der Köpfe hinter Pirate Bay gegründet. Der Chaos Computer Club hat schon vor einiger Zeit die Kulturwertmark vorgeschlagen. Auch in diesem System leistet jeder Internetnutzer einen Beitrag für all das, was er konsumiert.
Doch statt dass die Verlage versuchen, neue Finanzierungskonzepte auszuprobieren oder sogar in Zusammenarbeit mit Hochschulen oder auch dem CCC zu entwickeln und voranzutreiben, klagen sie den Nutzern dort ihr Leid, wo es ihnen nicht gelingt, auf juristischem oder legislativem Weg (Beispiel: Leistungsschutzrecht) den Status Quo zu zementieren.
So werden sie auf Dauer in einer digitalisierten Welt mit verändertem Medienkonsum nicht bestehen können.