Hinweis: Dies ist ein Statement, das ich im März als CTO von DRACOON veröffentlicht habe.
Seit Dienstag steht fest, dass die umstrittene EU-Urheberrechtsreform tatsächlich realisiert wird. Das Europaparlament stimmte der Reform zu – ein erster Schritt zur Umsetzung der kontroversen Richtlinie.
Mit Sicherheit ist die Absicht der Initiative, das Urheberrecht von Künstlern, Musikern und Autoren im digitalen Zeitalter zu stärken und ihre Leistungen fair zu vergüten, gut gemeint. Die Umsetzung in dieser Form wird den einzelnen Kunstschaffenden jedoch kaum zugutekommen. Und auch der Gedanke, Riesen-Konzerne wie Google oder Facebook für die Verbreitung und Bereitstellung sämtlicher Inhalte zur Kasse zu bitten, wird kaum funktionieren. Stattdessen wird die Macht der amerikanischen Unternehmen noch weiter gestärkt, wenn etwa komplexe Uploadfilter zum Einsatz kommen sollen, um Inhalte auf Urheberschaft zu prüfen. Heute existieren lediglich diejenigen Uploadfilter, die von den US-amerikanischen Techgiganten entwickelt wurden (u.a. „Content ID“ von Google/Youtube).
Dies ist nur eines von vielen Argumenten, warum die Neuerung ihren Sinn verfehlt und stattdessen fatale Auswirkungen auf sämtliche Bereiche des freien Internets haben wird.
Wenn sämtliche Online-Portale und Plattformen, die auf dem Austausch von Text-, Bild-, Ton- oder Videodokumenten basieren, dazu angehalten sind, alle Daten zu durchleuchten, wird die Fülle an Informationen im Internet drastisch abnehmen. Prüfvorgänge wären nur mit technischer Hilfe möglich, zu hoch wäre für viele Betreiber das Risiko, abgemahnt zu werden. Zu wenig ausgereift sind Filtervorgänge, um Urheberechtsverletzungen automatisiert zu erkennen und etwa von künstlerischen Satirebeiträgen zu unterscheiden. Vielmehr werden Mengen an Daten durch sogenanntes „Overblocking“ herausgesiebt werden, eine massive Einschränkung der Meinungs- und Kunstfreiheit und damit auch der Informationsvielfalt.
Mit der Reform wird eine Rechtsgrundlage geschaffen, welche die Entwicklung neuer und innovativer Geschäftsmodelle im Internet erschwert und sogar verhindert. Durch die Restriktionen, die die Gesetzesreform mit sich bringt, wird die Zahl verschiedener Internetdienste zurückgehen, auch wenn diese in der Regel nie auf eine Urheberrechtsverletzung ausgelegt waren. In vielen Bereichen wird die Rechtsunsicherheit einfach zu groß sein und eine Lizenzierung sämtlicher Inhalte wird für kleine Startups weder finanziell noch organisatorisch machbar sein. Dies legt jungen Gründern Steine in den Weg und bremst damit Fortschritt und Entwicklung. Ausnahmeregelungen, die kleine Digitalunternehmen verschonen sollen, sind nahezu nutzlos, da sie nur greifen, wenn bestimmte Kriterien hundertprozentig erfüllt werden.
Wie die Ausgestaltung der Richtlinie in Deutschland aussehen wird, wird sich zeigen. Sicherlich wird man zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht abschätzen können, welche Auswirkungen die Reform tatsächlich haben wird. Dennoch wird schon jetzt deutlich, dass die Einhaltung eine Mammutaufgabe sein wird, die für kleine Betreiber und Startups nur schwer handzuhaben ist.