Obwohl der Überwachungsskandal aus den Medien langsam verdrängt wird, ist er natürlich längst nicht aufgearbeitet. Das Ergebnis der Bundestagswahl hat jedoch gezeigt, dass es offenbar nicht gelungen ist, das Thema in die breite Öffentlichkeit zu tragen. Dabei hat sich auch in den letzten Wochen, in denen ich nicht zum Bloggen gekommen bin, viel getan. In diesem Beitrag möchte ich einen kurzen Überblick darüber liefern.
* Der Lebenspartner von Glenn Greenwald, David Miranda, wurde am Flughafen Heathrow neun Stunden festgehalten. Der Vorwand war der Verdacht auf terroristische Aktivitäten. Tatsächlich versuchten die Ermittlungsbehörden natürlich Zugriff auf die Snowden-Dokumente zu bekommen, da sie zu diesem Zeitpunkt wohl noch nicht sicher sind, welche Informationen möglicherweise noch an das Tageslicht kommen werden. Greenwald weist zu Recht darauf hin, dass der Zugriff auf nahestehende Personen von Whistleblowern auch äußerst unethisch ist. Auch Brasilien hat natürlich zu Recht protestiert, da Miranda brasilianischer Staatsbürger ist.
* Der britische Geheimdienst ist mit einem Kommando bei der Londoner Niederlassung des Guardian eingerückt und hat dort Festplatten zerstört, die mutmaßlich eine Kopie der Snowden-Dokumente beinhalteten. Hinweise, dass sich Kopien der Unterlagen an sicheren Orten befanden, haben die Agenten nicht interessiert. Die Aktion soll übrigens von Premierminister Cameron direkt angeordnet worden sein. Dieses Beispiel zeigt sehr anschaulich, dass es auch in Europa um die Pressefreiheit nicht wirklicht gut bestellt ist. Immerhin wurden keine Unwahrheiten verbreitet, sondern Verfassungsbrüche durch Regierungen und Geheimdienste. Etwas später gab es die nächste Meldung in diesem Themengebiet: Geheimdienste versuchen die Publikation von neuen Details des Skandals zu verhindern.
* Die NSA hat immer wieder betont, dass nur die Daten von Terroristen und Schwerverbrecher ausgewertet werden. Tja, stellt sich raus, dass es ein Sport unter NSA-Mitarbeitern zu sein scheint, sog. „Love Interests“ hinterherzuspionieren, also E-Mails zu lesen und Telefonverbindungen zu überwachen. Das muss so oft passieren, dass es dafür sogar das interne Kürzel LOVEINT gibt. Wieder einmal zeigt sich, dass ein Missbrauch von solch einer Überwachungstechnologie nicht zu verhindern ist.
* Die aufschlussreichste Enthüllung der letzten Zeit war die, dass die NSA selbst die Vereinten Nationen abhört. Die besondere Brisanz in diesem Fall ensteht dadurch, dass sich die USA mit Anerkennung des Völkerrechts verpflichtet hatte, keine Spionage-Tätigkeit gegen die UN durchzuführen. Wie hätten die USA deutlicher demonstrieren können, dass derartige Abkommen (wie auch ein „No-Spy-Abkommen“) für sie bedeutungslos sind?
* Auch Australien greift im großen Stil Daten von Unterseekabeln ab.
* Die US-Amerikanische Drogenpolizei DEA hat seit 1987 Zugriff auf alle Daten von AT&T, dem größten amerikanischen Telekommunikationsunternehmen.
* Die Regierungen von Brasilien und Mexiko wurden von den USA ausspioniert.
* Die deutschen Dienste haben jahrelang unter dem Namen „Projekt 6“ in Neuss eine Kooperation mit der CIA aufrechterhalten und in diesem Rahmen eine Datenbank mit dem Kürzel „PX“ gefüllt. Der Bundesdatenschutzbeauftrage Peter Schaar wusste nichts von dieser Datenbank, obwohl er nach deutschem Recht hinzugezogen hätte werden müssen. Auch hier haben sich BND und Verfassungsschutz nicht an gesetzliche Vorgaben gehalten.
* Endlich scheint einigen EU-Abgeordneten klarzuwerden, dass die USA das SWIFT-Abkommen nutzen, um in Europa Industriespionage zu betreiben. Das SWIFT-Abkommen beinhaltet, dass US-Behörden Zugriff auf europäische Finanztransaktionen erhalten.
Ich denke, dieser Ausriss zeigt deutlich, dass noch lange nicht alles aufgearbeitet ist, was an Verfehlungen und illegalen Aktivitäten durch die Geheimdienste stattfindet. Besonders gravierend ist, dass es bisher keine Konsequenzen gab, obwohl eindeutig illegale und verfassungsfeindliche Tätigkeiten aufgedeckt wurden. Es bleibt nur zu hoffen, dass sich unsere neue Regierung der Sache wirklich annehmen wird. Sollte es zu einer großen Koalition kommen, dann wird das Verhalten von Thomas Oppermann, der für die SPD im parlamantarischen Kontrollgremium sitzt und sich massiv für eine Aufarbeitung des Skandals eingesetzt hat, besonders interessant zu beobachten sein.